Doch es kam anders als sie dachte.
Sara Marjanovic, eine ihrer ehemaligen Teamkolleginnen, hatte bei den Binder Blaubären des TSV Flacht angeheuert, und sie fühlte sich dort derart wohl, dass sie Kontakt zu Britta Schammer aufnahm und sie im Spätsommer fragte, ob es denn nicht wieder in den Fingern jucken würde. Und dass die Blaubären eine Mittelblockerin gut gebrauchen könnten. Britta Schammer wusste, wie man als Mittelblockerin auf dem Feld agiert. Und es juckte tatsächlich in ihren Fingern.
„Ich konnte mir vorstellen, dass ich das Niveau der Zweiten Liga Pro bringen könnte“, berichtet die Stuttgarterin, die sich beim Flachter Sportdirektor Jan Lindenmair und bei Cheftrainer Nico Reinecke einen Termin eintragen ließ. Die beiden luden die 1,85 Meter große Frau zum Probetraining, um ihre Qualitäten zu checken und abzuwägen, ob sie menschlich ins Teamgefüge passen könnte. „Ich bin halt ins Training reingestolpert“, erzählt Britta Schammer, „danach war ich Feuer und Flamme.“ So ähnlich erging es Lindenmair, Reinecke sowie der Mannschaft. Kurz darauf hatten die Blaubären Zuwachs. „Ich bin im Nachhinein wahnsinnig froh, dass ich ins Probetraining bin“, sagt sie.
Seitdem ist sie wichtiger Teil der Mannschaft und an diesem Samstag (19 Uhr) gegen den TV Dingolfing will sie mit ihrer Präsenz am Netz und ihrer Erfahrung für den Erfolg der Blaubären sorgen. „Mittelblockerinnen findet man in Europa nicht wie Sand am Meer“, sagt Reinecke, „man sollte groß, athletisch und schnell sein sowie eine Spielintelligenz mitbringen.“ Die Position ist keine fürs Rampenlicht, im Mittelblock arbeitet man eher im Verborgenen, macht kaum Punkte, „Britta ist perfekt für diese Position“, betont der Chefcoach.
Dass Britta Schammer überhaupt beim Volleyball gelandet ist, war Zufall. Ihr sportlicher Plan hatte das nicht vorgesehen, schon damals wurde sie von der Entwicklung einfach überrollt. Das sportliche junge Mädchen spielte Badminton, und zwar mit größerem Erfolg als viele ihrer Altersgenossinnen – mit dem Team des MTV Stuttgart wurde sie süddeutsche U-18-Meisterin. Nebenbei pritschte sie in einer unterklassigen Volleyball-Mannschaft des MTV. Zum Spaß.
Aber erneut veränderte sich das Leben der Britta S. von jetzt auf nachher.
Als Johannes Koch, der Zweitliga-Trainer von Allianz MTV Stuttgart 2, sie im Spiel beobachtete, wusste der Mann, dass er handeln musste. Er erzählte ihr davon, dass er ungeheures Talent erkannt habe, dass sie unbedingt zum Volleyball wechseln müsse. „Ich hatte davor nie in einem Jugend-Auswahlkader gestanden“, erzählt Britta Schammer, „nun stand ich in der zweiten Liga, im Nachwuchs-Team von Bundesligist Allianz MTV.“
Das Sportleben meinte es erneut gut mit ihr. Die Spätberufene schnupperte eineinhalb Jahre häufig in den Erstliga-Kader hinein, erst als Mittelblockerin, dann wurde sie zur Diagonalangreiferin umfunktioniert. Alles schien wunderbar, bunt und schön. Doch unvermittelt meldete sich Allianz MTV 2 vom Spielbetrieb ab und Britta Schammer schlug in Ludwigsburg auf.
Wie in Stuttgart, fand ihre Sportkarriere auch in der Barockstadt ein jähes Ende mit dem Rückzug des Clubs, bis die Blaubären sich meldeten. Da kamen ihr die Kenntnisse als Mittelblockerin zugute, als Diagonalangreiferin wäre sie kaum in Flacht gelandet. „Die Position füllt Frauke Neuhaus aus“, betont sie, „an ihr würde ich nie vorbeikommen – deshalb spielte der Club für mich im Sommer keine Rolle.“ Als Mittelblockerin schon. Die Rückschulung war kurz und schmerzlos, sie musste nur Altgelerntes auffrischen. „Das war überhaupt kein Problem“, sagt Reinecke.
Jetzt ist Britta Schammer in der Rolle am Netz gesetzt, und sie fühlt sich derart wohl, dass sie sich nichts anderes tun möchte. Nur bei einem Gedankenspiel wird sie reserviert. Mittelfristig haben die Blaubären die Bundesliga im Blick, ein Aufstieg würde bedeuten: noch mehr Training, noch mehr Reisen – das kann sich die Wirtschaftsinformatikerin als IT-Projektleiterin kaum vorstellen. „Ich glaube, erste Liga und Beruf“, sagt sie, „könnte ich nicht gut vereinen.“ Das sagt Britta Schammer heute. Aber womöglich kommt es eines Tages anders, als sie denkt.