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Die Akkord-Arbeiterin

Die Akkord-Arbeiterin

Marie-Christin Werner trainiert viermal pro Woche Volleyball bei den Blaubären und hat einen 100-Prozent-Job. Das muss man wollen – und die 26-Jährige will.

Leonberger Kreiszeitung 19.04.24 von Jürgen Kemmner

Geburtstag feiern? Nein, dafür hat Marie-Christin Werner keine Zeit. Am Donnerstag ist die Volleyballerin 26 Jahre alt geworden, aber weder eine große Party noch eine schnuckelige Feier hat sie organisiert. „Der Zeitplan hat dafür nicht gepasst“, sagt sie schmucklos und trocken, als sei ein Geburtstag so etwas wie ein Namenstag, den man bestenfalls registriert, aber um den niemand eine große Sache macht.

Zwei Gründe haben Marie-Christin Werner, Rufname im Team Chrissi, am Donnerstag davon abgehalten Kaffee und Kuchen oder Prosecco plus Häppchen zu reichen – der Job und das Volleyballspiel. Die Therapieplanerin einer Reha-Klinik hatte einen proppenvollen Arbeitstag, dann war da noch das Training bei den Binder Blaubären TSV Flacht vor den eminent wichtigen Heimspielen an diesem Wochenende. Gegen den TV Dingolfing an diesem Samstag (19 Uhr) und gegen VCO Dresden am Sonntag (15 Uhr).

„Wir sollten möglichst sechs Punkte bei uns behalten“, sagt die Mittelblockerin, „das wären wichtige Zähler im Kampf gegen den Abstieg.“ Mindestens drei Punkte auf die Volleys Borken muss der TSV in den letzten drei Saisonpartien aufholen, um sicher in der Zweiten Liga Pro zu bleiben. Sechs Punkte wären besser, um im Profigeschäft zu überleben. Wobei: Wirklich leben von den finanziellen Zuwendungen der Clubs können wahrscheinlich nur echte Asketen, die selbst bei der Survival-Serie „Seven versus Wild“ durchhalten würden. Es ist bislang nichts bekannt, dass sich Chrissi Werner zu dieser Spezies zählen würde.

Also besitzt die gebürtige Heidelbergerin einen Arbeitsvertrag, der 40 Stunden pro Woche von ihr abfordert, damit „bin ich wahrscheinlich die Einzige im Team, die ein solches Arbeitspensum leistet“, vermutet sie. Dazu kommen vier Trainingseinheiten in Flacht pro Woche plus die Heimspiele oder die mitunter weiten Auswärtsfahrten, die einer echten Erholung am Wochenende so zuträglich sind, wie Zuckerwatte während einer Diät. Das muss man wollen – und Chrissi Werner will. „Das ist fordernd, das ist kein Zuckerschlecken“, sagt sie, „aber mir macht es noch immer richtig Spaß.“

Immerhin konnte die Volleyballerin mit ihrem Arbeitgeber in Bad Soden (bei Frankfurt) aushandeln, dass sie ihren Job zu 100 Prozent von zu Hause aus erfüllt. Andernfalls hätte sie entweder nicht bei den Blaubären anheuern können oder sie hätte sich um eine neue Arbeitsstelle kümmern müssen. „Nur so kriegt man das unter einen Hut“, betont die Therapieplanerin, „so profitieren wir beide davon.“

Der Job stammt noch aus ihrer Zeit beim Zweitligisten TG Bad Soden, von dem die Trennung aber bereits absehbar war, bevor mit den Blaubären alles in trockene Tücher gepackt wurde. Nachdem der Wechsel fix war, zog Chrissi Werner nach Mönsheim, um nahe ihrer neuen sportlichen Heimat zu leben. Dabei sind die Blaubären aus Flacht bereits der sechste Club, für den die gelernte Diät-Assistentin aufs Feld läuft.

Als Sechsjährige hatte sie beim Heimatclub SG Hohensachsen begonnen, sie spielte für Mannheim in der dritten Liga und in Heidelberg – bis sich beide Vereine jeweils aufgelöst hatten. Mit dem SV Sinsheim wurde die Mittelblockerin Meister der dritten Liga, schließlich landete sie danach in Bad Soden, wo das Engagement sich nicht so entwickelte, wie sich Chrissi Werner das vorgestellt hatte. „Dann kam über Vitamin B der Kontakt nach Flacht zustande“, erzählt die 26-Jährige, „und seitdem bin ich hier.“

Die Runde war emotional eine Achterbahnfahrt mit Höhen und Tiefen, durch die die Blaubären seit September gereist sind. In intensiven Monaten „sind wir zusammengewachsen“, erzählt sie, „wir haben uns allmählich gefunden.“ Im Heimspiel gegen Nawaro Straubing gab es vor knapp zwei Wochen erstmals eine Fan-Wahl der wertvollsten Spielerin, die Neuerung soll es weiterhin geben. Vielleicht machen die Blaubären-Anhänger Chrissi Werner am Samstag ja ein nachträgliches Geburtstagsgeschenk.