Leonberger Kreiszeitung vom 19.12.25 | Jürgen Kemmner
„Es war so ziemlich alles kaputt“, erzählt die Sportlerin kurz vor Weihnachten 2025, „Kreuzband, Innenmeniskus, Kniescheibe, dazu ein Knorpelschaden. Es war sehr kompliziert.“ Die Karriere brutal gestoppt, als sei sie mit einem Auto an eine Betonwand geprallt. Es folgten OP eins im Oktober 2023 sowie OP zwei im März 2024.
Leonie Büdenbender versuchte sich über die Reha und im Athletiktraining langsam in die Welt des Sports zurückzutasten, doch selbst bei kleinen Sprüngen legte ihr Knie ein nicht zu unterdrückendes Veto ein. Selbst beim Gehen im Alltag fühlte sich die junge Frau körperlich wie eine Rentnerin, der jeder Schritt Schmerzen bereitet – im August 2024 war OP Nummer drei unumgänglich.
Schließlich dämmerte es der Sportlerin im zermürbenden Zwangsruhestand: Auch die Saison 2024/2025 der Blaubären wird wohl größtenteils ohne mich auf dem Spielfeld stattfinden. „Das war die schwierigste Zeit meines Lebens“, findet die 21-Jährige, „ich bin immer wieder in tiefe mentale Löcher gefallen.“ Sie kehrte zwar aufs Feld zurück, doch es gab Einsätze in homöopathischen Dosen – sie wurde lediglich für die Annahme kurz eingewechselt, es war Volleyball im Minutentakt. „Die Joker-Rolle war ganz schwer zu akzeptieren“, gibt sie zu.
In dieser Saison zählt Leonie Büdenbender wieder fest zum Bundesliga-Stamm, am Samstag (19 Uhr) schlagen die Frauen des TSV Flacht beim Mitaufsteiger Skurios Volleys Borken auf – und hoffen auf ihren zweiten Sieg in der deutschen Eliteliga, nachdem sie am Nikolaustag Mitaufsteiger ETV Hamburg 3:1 besiegt hatten. „Es ist auf jeden Fall ein Gegner auf Augenhöhe“, sagt die Studentin der Medien- und Wirtschaftspsychologie, „wir dürfen uns aber nicht selbst unter Druck setzen, weil wir erwarten, dass wir dort gewinnen müssen.“
Allerdings wird die gebürtige Sindelfingerin nicht auf ihrer Lieblingsposition als Außenangreiferin antreten, die Rückkehrerin wird als Libera die Abwehrchefin sein, die mit schnellen Reflexen und viel Körpereinsatz Bälle rettet. Libera, für Leonie Büdenbender ein Déjà-vu. Denn in ihrer Karriere hatte sie einst beim VC Wiesbaden in der Bundesliga schon einmal auf dieser Position gespielt, jedoch eher gezwungenermaßen, weil der damalige Trainer sie dort aufstellte – ihre Körpergröße von 1,75 Meter mag zwar für eine Frau beachtlich sein, doch im Volleyball liegt das Gardemaß für eine Außenangreiferin eigentlich bei 1,80 plus X.
Sie will Punkte machen, sie will am Netz agieren, doch beim VC Wiesbaden lag diese Aufgabe für die Volleyballerin so fern wie für die Fußballer des VfB Stuttgart der Titel in der Champions League. Also verabschiedete sie sich im Sommer 2023 aus Hessen und heuerte als Außenangreiferin bei den Blaubären an. Doch ihre Träume erfüllten sich bekanntlich nicht.
„Es ist schon paradox“, sagt Leonie Büdenbender, „ich bin nach Flacht gekommen, weil ich nicht mehr Libera spielen wollte – und nun bin ich es doch wieder.“ Denn nachdem sie in der Vorbereitung auf diese Runde ihren Körper immer wieder Härtetests unterzogen hatte, musste sie erkennen: Die Plakette für den Knie-Tüv in der Bundesliga wird sie wohl kaum zugeteilt bekommen. Schließlich holte TSV-Sportdirektor Jan Lindenmair sie zu sich zum Gespräch und sagte die Worte: „Ich habe da was im Kopf, was du bestimmt nicht gerne hören wirst ...“
Für Leonie Büdenbender war nach diesem Satz klar: Aus mir wird wieder eine Libera. „Das ist für meine weitere Karriere einfach realistischer, weil das Knie auf dieser Position nicht ganz so starken Belastungen ausgesetzt sein wird.“ Besser Libera als gar kein Volleyball mehr auf höchstem Niveau. Die nötigen Voraussetzungen bringt sie ja sowieso schon mit, und die reaktivierte Abwehrchefin hatte ihren ersten Auftritt mit den Blaubären ausgerechnet im Auswärtsspiel bei Ex-Verein VC Wiesbaden.
Für Leonie Büdenbender war die Partie am 1. November in doppelter Hinsicht eine außerordentliche. Es war der Geburtstag ihres im Juli verstorbenen Großvaters, der zu ihrer Wiesbadener Zeit kein Spiel verpasst hatte. „Dass ich an seinem Geburtstag in Wiesbaden auf der Position spiele, die ich früher dort innehatte“, erzählt die 21-Jährige, „hat mich sehr berührt.“
Wie das Leben so spielt: Es hat sich auf wundersame Weise ein Kreis geschlossen – und Leonie Büdenbender hat sich nun mit ihrer neuen Rolle auf dem Volleyball-Feld vollkommen arrangiert. Es war eben eine Liebe auf den zweiten Blick.

