Saskia Lenk hatte mit hochklassigem Volleyball abgeschlossen – nun erlebt sie bei den Blaubären aus Flacht ein unerwartetes Comeback | Leonberger Zeitung 05.04.2024 von Jürgen Kemmner
Auf einmal hatte sie keine Lust mehr. Wie ein Kind, das von einem Augenblick auf den anderen nicht mehr ans Christkind glaubt. Saskia Lenk hatte keinen Spaß mehr am Volleyball, am häufigen Training, den vielen Fahrten, den Einsätzen am Wochenende – nach der Saison 2018/2019 beim Zweitligisten Allianz MTV Stuttgart II packte die Abiturientin ihre Siebensachen und verabschiedete sich. „Nach dem Abitur wollte ich einfach nur aufhören“, erzählt die heute 23 Jahre alte Volleyballerin.
Brücken abbrechen, Neues beginnen. In der Lehre zur Bankkauffrau warteten die nächsten Herausforderungen. Ihr ehemaliger Trainer, der die Frauen des TSV Flacht coachte, kam die Geschichte der Aussteigerin zu Ohren und der Mann sagte sich, ohne ein profunder Kenner der Lyrik von Christian Morgenstern zu sein: „Es kann nicht sein, was nicht sein darf!“ Er nahm den Kontakt zu Saskia Lenk auf, diskutierte mit ihr und überzeugte sie schließlich, bei den TSV-Frauen in der Bezirksliga mitzuspielen. Spaß am Spiel, ohne hochklassigen Leistungsdruck.
So könnte die Geschichte der Volleyball-Karriere der Saskia Lenk enden. Tut sie aber nicht. Denn Nico Reinecke, damals Trainer der TSV-Männer, konnte einen versierten Zuspieler (oder eine Zuspielerin) in den Trainingseinheiten gut gebrauchen, und lotste die junge Frau so zur Zweitbeschäftigung. „Ich habe immer wieder bei den Männern mittrainiert“, erzählt die Sportlerin, „irgendwann war ich fest eingeplant.“ Ein Kreuzbandriss stoppte sie 2022 für einige Monate, dann keimte beim TSV Flacht im Herbst 2022 die kühne Vision, ein Frauen-Team in der Zweiten Liga Pro an den Start zu schicken.
Saskia Lenk konnte und wollte nicht Nein sagen, als Nico Reinecke ihr den Plan eröffnete, sie möge im neuen Zweitliga-Team unter seiner Regie als Trainer die Rolle der Zuspielerin übernehmen. Die Lust wurde zur Gier, das Ja folgte schnell. „Es ist doch echt cool“, erzählt sie, „im Heimatverein in einer so hohen Liga zu spielen.“ An diesem Samstag (19 Uhr) treffen die Binder Blaubären auf Ex-Erstligist Nawaro Straubing, wo sie vor knapp zwei Wochen mit 3:1 gesiegt hatten. „Noch ein Sieg wäre im Kampf gegen den Abstieg enorm wichtig“, sagt Saskia Lenk, die in Hausen (Weil der Stadt) wohnt, „wir wollen den Heimvorteil nutzen.“
Die Zweitliga-Zuspielerin wurde wiedergeboren. Von der Bezirksliga in die Zweite Liga Pro. Die nötige Klasse am Netz war schnell wiedergefunden, als hätte man sie 2019 schockgefrostet und nun wieder schonend aufgetaut. „Ich kann es mir nicht erklären, warum das so einfach für mich war“, sagt Saskia Lenk, die mittlerweile als Business-Controllerin in Heimsheim arbeitet, „es war ganz fix alles wieder da.“ Ein Grund: Die Chemie zwischen ihr und Coach Reinecke passt, sie spürt das wichtige Vertrauen.
Und sie liebt ihre Rolle in der Mannschaft. Keine andere Position auf dem Feld ist ihr so auf den Leib geschneidert wie die der Zuspielerin. Weil sie eine „sehr feine Technik beim Pritschen“ hatte, schulte sie Ex-Coach und Landestrainer Sven Lichtenauer einst von einer Mittelblockerin um – die Bälle sauber am Netz zu stellen, erfordert eine Präzision wie die eines Feinmechanikers. Und der Blick fürs Spiel muss der eines Schachspielers sein: Die versierte Zuspielerin erkennt, über welche Seite der Angriff rollen soll, um einen Punkt zu machen. „Diese Entscheidung immer wieder zu treffen“, verrät die Blaubären-Akteurin, „macht diese Position so unglaublich attraktiv für mich.“ Saskia Lenk hat in der Zweiten Liga Pro wieder Spaß am Volleyball gefunden. Und wie.