Der TSV Flacht kämpft um die Zukunft in der Zweiten Liga Pro – Manager Michael Kaiser spricht über seinen Puls, die Fans und die Chance zum Ligaverbleib | Leonberger Kreiszeitung vom 09.02.24 von Jürgen Kemmner
Die Binder Blaubären aus Flacht kämpfen in der Zweiten Liga Pro gegen den Abstieg, an diesem Samstag (19 Uhr) ist der Tabellenzweite DSHS Snowtrex Köln zu Gast in der Heckengäusporthalle. Für Manager Michael Kaiser geht es in dieser Saison mehr als um den Klassenverbleib – er hat maßgeblich daran mitgearbeitet, dass der kleine Club aus Flacht in der großen Volleyball-Welt mitspielen kann und deshalb blickt er über das Saisonende hinaus.
Herr Kaiser, welche Stimmung herrscht bei Ihnen in diesen Tagen vor, wenn Sie an die Blaubären denken?
Gut. Wir unternehmen alles, was in unserer Macht steht, um in dieser Liga zu bleiben - es sind noch neun Spiele, wir arbeiten in Ruhe weiter. Es bringt nichts, wenn du dich verrückt machst oder über irgendwelche Szenarien nachdenkst, die im Sport Gang und Gebe sind. Wir haben einen guten Kader und glauben an unser Trainerteam.
Hätten Sie das auch so nach der niederschmetternden 0:3-Klatsche in eigener Halle gegen Essen gesagt?
Danach mussten wir uns alle gewaltig schütteln, da bin ich ehrlich. Da hat man sich ganz schlecht gefühlt, und zwar auch noch am Tag danach. Es hat gebraucht, das zu verkraften. Aber mittlerweile sagen wir: Wir gehen da durch und werden nicht die weiße Fahne hissen. Im Gegenteil. Wir glauben fest daran, dass wir das aus eigener Kraft schaffen.
Das heißt, es wird sich im Team personell nichts mehr tun?
Auszuschließen sind Neuzugänge nie. Aber das Transferfenster ist geschlossen, man kann nur vertragslose Spielerinnen verpflichten. Wir haben den Kader, an den wir glauben und der die Qualität mitbringt.In vielen Partien sind es oft nur Kleinigkeiten, die den Unterschied machen. Wir wissen einerseits, dass das Team in der Liga mithalten kann, aber wir müssen diese fehlenden zwei, drei Prozent in den nächsten Wochen irgendwo rauskitzeln und eine Konstanz reinbringen. In Borken führen wir im ersten Satz 20:18 und verlieren ihn. Der zweite Satz endet 23:25 ... da kann man sich nichts davon kaufen, das wissen wir auch. Unterm Strich steht eine blanke Null.
Wie fühlt sich der Manager da, der nur zuschauen und nicht eingreifen kann?
Das ist extrem schwer, weil du mitleidest und du natürlich weißt, was da mit dranhängt. Das Gute ist, dass ich nicht jeden Ballwechsel sehe, weil ich viele Gespräche führe in meiner Rolle. Ich bekomme aber schon mit, läuft es gut oder läuft schlecht. Man wird da aber schon gelassener mit der Zeit.
Das heißt, Ihr Puls steigt während den Spielen nie über 80 ...
... (lacht) mal zwei. Das wäre tatsächlich mal spannend, den eigenen Puls zu kennen. Gegen Grimma etwa, als wir den dritten Satz nicht nach Hause gebracht haben, da war der Puls schon sehr, sehr hoch. Das ist für uns alle, auch für Nico (Reinecke, Cheftrainer, d. Red.) ist das ja ein Prozess. Der einzige, der dieses ganze Business wirklich von der Pike auf kennt, ist Jan Lindenmair (Sportdirektor, d. Red.), der das früher schon alles erlebt hat. Und er sagt auch immer: Jungs, wir müssen hier eine gewisse Gelassenheit behalten.
Ist aber nicht immer leicht in einer Situation wie dieser. Haben Sie einen Plan B für den Fall des Abstiegs?
Es gibt Stand heute keinen ausgearbeiteten und fertigen Plan B. Bislang planen wir liga-unabhängig. Im Volleyball ist das entspannter als im Fußball, wo gefühlt die ganze Mannschaft nach einem Abstieg von heute auf morgen weg ist. Insofern gibt es bei uns kein entsprechendes Szenario – man hat sich natürlich gedanklich immer wieder damit beschäftigt, was passieren könnte, und beobachtet die Entwicklung. Für uns ist es kein riesengroßer Unterschied zwischen Zweiter Liga Pro und Zweiter Liga Süd. Wir wissen, was wir zu tun haben, und sind da auch mit der Mannschaft dran.
Niemand muss den sportlichen und wirtschaftlichen Exodus befürchten, falls es zu einem Abstieg käme – was bedeutet das für die Sponsoren?
Es ist Gang und Gebe, dass man regelmäßig Gespräche führt. Wir reden mit unseren bestehenden Sponsoren, unabhängig davon, wo wir nächstes Jahr spielen. Wir sprechen auch mit potenziellen Sponsoren, und dann muss man sich in diesem oder jenem Fall eben zusammensetzen.
Bleiben alle dabei, egal, was passiert?
Wir gehen fest davon aus. Wir haben keine Befürchtung, dass wir irgendwie wirtschaftlich gefährdet wären. Wir sind ein kleiner Verein und sind so was von geschlossen – wenn der schlimmste Fall tatsächlich eintritt, wird bei uns nichts zusammenbrechen.
Wie sind Sie mit den Zuschauerzahlen zufrieden? 372 Fans sind es im Schnitt.
Ich schaue mir das auch an – ich glaube, wir liegen in der Liga auf Platz sechs oder sieben. Wir sind sehr zufrieden, wir sind im Vergleich mit anderen Clubs sehr gut unterwegs. Wir kommen quasi von null – wir sind in der neuen Halle, in einem neuen Umfeld, mit einer neuen Mannschaft. Wenn wir anschauen, wo die Fans herkommen, wie viele Dauerkarten haben, was wir an Merchandise-Artikeln verkaufen, sind wir wirklich sehr zufrieden. Wenn mir einer vor der Saison gesagt hätte, dass wir bis auf eine Ausnahme (gegen ETV Hamburg waren es 295 Fans, d. Red.) zwischen 300 und 430 Zuschauer haben, hätte ich blind unterschrieben.
Das heißt: Der höherklassige Frauen-Volleyball hat eine Zukunft in Flacht.
Absolut. Wir wollen auch den Herren-Bereich nicht völlig vergessen, da kommen viele junge Leute nach. Wir wollen Fuß fassen auf einem Level, wo wir waren. Aber wir wollten den Sport nach vorne bringen, wollen ein Aushängeschild schaffen – und das haben wir im Damenbereich getan. Nicht einmal die ganz großen Clubs schaffen es aber, bei beiden Geschlechtern ganz oben dabei zu sein. Unser Weg hat erst begonnen, und deshalb schauen wir trotz sportlicher nicht ganz so schöner Situation, komplett nach vorn.
Zum Abschluss, vervollständigen Sie den Satz: Die Blaubären bleiben in der zweiten Liga, weil ...
(Denkt nach.) Das kurz und knackig zu sagen, fällt schwer. Weil wir wissen, dass das Team das Potenzial hat und wir alles unternommen haben, das auf die Platte zu bringen.
Das Gespräch führte Jürgen Kemmner.