Blaubären aus Flacht verlieren das Kellerduell gegen die Volleys aus Essen ohne echte Gegenwehr 0:3 – nun wird der Kampf um den Ligaverbleib noch schwieriger | Leonberger Kreiszeitung von Jürgen Kemmner
WEISSACHFlemming Nave, Künstlername Lemmi Demmi, hat ein feines Gespür für Stimmungen. „Knocking on heaven’s door“, den 50 Jahre alten Klassiker von Bob Dylan, hat der Hallensprecher der Binder Blaubären am Samstagabend über die Lautsprecher geschickt – nachdem die Volleyballerinnen aus Flacht im Kellerduell gegen die Allbau Volleys aus Essen mit 0:3 (16:25, 17:25, 20:25) so schnell, unerwartet und tragisch untergegangen sind wie einst die Titanic. Besonders die Textzeile „it’s getting dark, too dark to see“ („es wird dunkel, zu dunkel, um etwas zu sehen“) spiegelte die Gefühlswelt der Spielerinnen, der Trainer und Mitarbeiter des Teams sowie der TSV-Fans unter den 410 Zuschauern in der Heckengausporthalle ziemlich treffend wider. Finsternis im Kopf, Dunkelheit im Herzen.
Als Nico Reinecke, der nach Spielende nahezu bewegungslos minutenlang in die Leere gestarrt hatte, seine Gefühlswelt zumindest notdürftig wieder aufgeräumt hatte, wurde er aufgefordert, den Schmerz der Niederlage auf einer Skala von 1 bis 10 einzuordnen. „Wenn 10 die Hölle ist?“, fragte er und schob die Antwort sofort hinterher: „10,5!“ Mögliche Zweifel, der 41-Jährige könnte etwas übertreiben, wurden flugs zerstreut – Reinecke war anzusehen, dass ihn diese Niederlage nicht nur als Trainer, sondern auch als Mensch tief getroffen hatte. „Wir hatten in den Spielen zuvor aufsteigende Tendenz“, meinte der Coach, „und in einem der wichtigsten Spiele, machen wir so viele unerzwungene Fehler,“ klagte er, „da fällt es schwer, den Kopf oben zu behalten.“
0:3 gegen die zuvor punktgleiche Mannschaft aus Essen, ein kapitaler Schuss vor den Bug, der die Fahrt des Zweitliga-Dampfers TSV Flacht auf seinem Kurs in Richtung der Nichtabstiegsgewässer empfindlich gebremst hat. Zwei Sätze waren die Gastgeberinnen nur phasenweise im Spiel, schmetterten Bälle ins Aus, verschätzten sich bei Essener Angriffen, fanden viel zu selten den Weg zu Punkten. Kapitänin Julia Cedeno erreichte zu keiner Zeit nur annähernd Normalform, und auch Diagonalangreiferin Frauke Neuhaus, zweite Führungskraft der Blaubären, konnte kaum Akzente setzen. Dem Team aus Essen genügte eine konzentrierte, kämpferische, solide Leistung mit geringer Fehlerquote, um alle drei Punkte mit in den Ruhrpott zu entführen. Erst im dritten Satz kamen die Frauen aus Flacht einigermaßen auf Augenhöhe – doch da war es zu spät.
Es waren die absolut dunkelsten 74 Minuten in der noch jungen Zweitliga-Historie der Blaubären aus Flacht, womit wir wieder bei der Textzeile von Bob Dylan angekommen sind. „Wir hatten zuletzt viele Schritte in die richtige Richtung gemacht, wir haben einen Aufschwung registriert“, sagte der ebenfalls konsternierte Manager Michael Kaiser, „aber das war ein ganz großer Rückschritt.“ Der Mann fühlte sich irgendwie wie ein Kind, dem man am 23. Dezember mitgeteilt hat, dass Heiligabend und die Bescherung dieses Jahr ausfällt.
Besonders unerklärlich war für ihn, dass das Team selbst die unermüdlichen Anfeuerungen der Fans nicht umsetzen konnte – denn jedes Mal, wenn leichte Hoffnung keimte, waren die Zuschauer lautstark zur Stelle. „Bislang waren wir bei den Heimspielen eine Macht“, sagte Kaiser, „abgesehen von der ebenfalls schwachen Leistung gegen Hamburg.“ Am 26. November war die Mannschaft gegen Hamburg vor eigenem Publikum ebenfalls mit 0:3 untergegangen.
Der Auftritt warf viele Fragen auf, die keiner sofort beantworten konnte. War der Druck zu hoch? „Ich habe“, betonte Trainer Reinecke, „den Druck bewusst nicht erhöht.“ Dass es so gewesen sein könnte, wollte niemand wegreden – Mentaltrainerin Mascha Renzow versammelte die Volleyballerinnen nach Schluss noch auf dem Feld um sich, um im Kreis sitzend die schmerzhafte Pleite verbal aufzuarbeiten. Viel Zeit bleibt nicht, am Samstag steht eine vorentscheidende Partie im Kampf um den Klassenverbleib an – drei Punkte beträgt die Lücke zum ersten Nichtabstiegsrang, vom Spiel bei den Volleys Borken sollte der Club nicht mit leeren Händen heimkommen. Es mag dunkel sein bei den Blaubären, aber es ist noch nicht zu dunkel, um das rettende Ufer zu sehen.