Nicht überall sind Profis am Werk
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Gleich drei mutige Volleyball-Clubs wagen den Sprung in die Bundesliga der Frauen – mit vergleichsweise geringen Etats. Leidet darunter die Qualität?
Jochen Klingovsky | Stuttgarter Zeitung vom 13.05.2025
Volleyball kennt keine Atempause. Schon kurz nach den Finalduellen in den diversen Ligen standen die ersten Länderspiele an, Pia Kästner und Antonia Stautz von Allianz MTV Stuttgart zum Beispiel sind mit dem deutschen Nationalteam unterwegs. Gut, dass wenigstens die Funktionäre ein bisschen durchschnaufen können – manche sogar in doppeltem Sinne.
Naturgemäß geht es derzeit bei den Vereinen nicht ganz so hektisch zu wie noch in der Endphase der Play-offs, als alle drei Tage ein Spiel anstand. Und zugleich ist bei den Verantwortlichen in der Frauen-Bundesliga ein gewisses Maß an Erleichterung zu spüren. Nachdem es zuletzt nur neun erstklassige Clubs gab, werden es durch den Paketaufstieg des Trios Binder Blaubären TSV Flacht, Skurios Volleys Borken und ETV Hamburg in der nächsten Saison wieder zwölf Teams sein. „Die Situation war extrem kritisch. Für die Weiterentwicklung der Bundesliga ist es enorm wichtig, dass die drei Vereine diesen mutigen Schritt gehen“, sagt Aurel Irion, der Geschäftsführer von Allianz MTV Stuttgart, „wir sind jetzt wieder auf dem richtigen Weg.“ Aber noch längst nicht am Ziel.
Die Rechnung ist einfach: Quantitativ sind die drei Neulinge, die zwei Jahre lang nicht absteigen können und von der Volleyball-Bundesliga (VBL) finanzielle sowie organisatorische Erleichterungen zugesagt bekamen, ein bedeutender Faktor. Was die Qualität angeht, dürfte es für sie aber eher schwierig werden.
Der ETV Hamburg will das Abenteuer offenbar mit einem Etat von lediglich rund 250 000 Euro angehen und spielt normalerweise in der Sporthalle Hoheluft am Lokstedter Steindamm, die nur bis zu 400 Fans fasst. Die finanziellen Möglichkeiten der Skurios Volleys Borken, die als Top-Zweitligist jahrelang auf den Sprung nach oben verzichteten und deshalb das Etikett „Die Unaufsteigbaren“ verpasst bekamen, sowie der Binder Blaubären TSV Flacht, die vor drei Jahren noch in der Bezirksliga spielten, sind zwar etwas besser, was an einem allerdings nichts ändert: Die Etats von Spitzenclubs wie dem SSC Schwerin oder Allianz MTV Stuttgart liegen weit jenseits der Zwei-Millionen-Marke, im Vergleich zum ETV Hamburg ist ihre Finanzkraft folglich fast zehnmal so groß. „Für alle wird es schwieriger, die wirtschaftlichen Anforderungen zu erfüllen, es fehlt insgesamt an Geld im System“, sagt Aurel Irion, „deshalb müssen wir als Bundesliga aufpassen, dass wir uns nicht vom professionellen Sport verabschieden. So wie die drei neuen Vereine strukturell und finanziell aufgestellt sind, können sie nicht in allen Bereichen Profisport betreiben.“
Auch deshalb hat Kim Renkema, als sie noch Sportdirektorin von Allianz MTV Stuttgart war, stets auf die Risiken hingewiesen, die mit einem Paketaufstieg verbunden sind. „Für uns Spitzenvereine besteht die Gefahr, dass sich die Bundesliga immer mehr in Richtung Semiprofessionalität bewegt“, sagte sie im Oktober 2024. Und auch: „Wenn es Teams gibt, die 80 Prozent ihrer Spiele sicher 3:0 gewinnen, ist das weder für Zuschauer noch für Sponsoren attraktiv.“
Mittlerweile denkt Kim Renkema über das Thema etwas anders, was zuvorderst mit ihrem neuen Job zu tun hat. Seit 1. Mai ist die Niederländerin Geschäftsführerin Sport und Vertrieb bei der VBL – und folglich froh darüber, dass drei Vereine aus der zweiten Liga Pro den Aufstieg wagen. „Für eine gute Perspektive der Bundesliga ist dieser Schritt absolut notwendig. Wir werden in der nächsten Saison an der Spitze, in der Mitte und im unteren Bereich einen attraktiven Wettbewerb haben“, sagt Kim Renkema, „mittelfristig muss das Ziel sein, dass der sportliche Wettbewerb immer enger wird. Doch das ist kein Selbstläufer – wir müssen den Clubs die Möglichkeiten und die Zeit geben, um sich gut entwickeln zu können.“ Und auch selbst die Hausaufgaben erledigen.
Denn Aurel Irion sieht, obwohl nun wieder mit zwölf Teams und ohne Zwischenrunde vor den Play-offs gespielt werden kann, die VBL weiter in der Pflicht. Nach wie vor gibt es keinen Liga-Sponsor, und auch bei den TV-Einnahmen besteht nach Meinung des Geschäftsführers von Allianz MTV Stuttgart Steigerungspotenzial. „Wir haben alle große Aufgaben vor uns“, erklärt Aurel Irion, „wir müssen es gemeinsam schaffen, dass die Frauen-Bundesliga wieder Fahrt aufnimmt.“ Damit die Errungenschaften, die erarbeitet worden sind, nicht aus Geldmangel auf der Strecke bleiben: „Die Anforderungen an Bundesligisten sind enorm und allein im Ehrenamt nicht zu erfüllen. Um nachhaltig und erfolgreich zu arbeiten, braucht es professionelle Strukturen.“ Der Spitzensport gewährt schließlich nur selten eine Atempause.